Verband Schleswig-Holsteiner
Kommunalarchivarinnen und -archivare e.V.

Kreisarchiv Rendsburg-Eckernförde - Ein Archiv im Aufbau

Von Bettina Albrod

Cholera, Ruhr, Kinderlähmung, Typhus oder Kindbettfieber – das Seuchentagebuch von 1941 hat genau Statistik über die Krankheiten während der Kriegsjahre im Kreis Rendsburg geführt. Damals waren die Kreise Rendsburg und Eckernförde noch eigenständig, 1970 wurden sie zusammengelegt und bilden seitdem zusammen mit weiteren Plöner Gemeinden den heutigen Kreis Rendsburg-Eckernförde. Der ist flächenmäßig der größte Kreis in Schleswig-Holstein. Dennoch hat es eine Weile gedauert, bis auch hier das Landesarchivgesetz, das eigene professionell geführte Archive für die Kreise vorschreibt, umgesetzt wurde. Seit 2015 gibt es das Kreisarchiv Rendsburg-Eckernförde, das von Anja Freitag geleitet wird und noch im Aufbau ist.
Ihre Arbeit im Kreisarchiv begann mit Detektivarbeit. „Das Archiv ist für die Bestandswahrung und Erschließung der amtlichen Unterlagen des Kreises zuständig“, so die Diplomarchivarin. „Die wichtigsten Unterlagen sind dabei die Protokolle des Kreistages und seiner Ausschüsse sowie Verträge und Urkunden. Die Protokolle des ehemaligen Kreises Rendsburg waren da, aber die aus Eckernförde scheinbar nicht.“ Nach langer Suche tauchten sie schließlich in unscheinbaren Schubern in einem Aktenraum des Kreishauses auf. Immerhin war das Bewusstsein dafür, dass Akten wertvoll sind, im Haus vorhanden, auch wenn es noch kein eigenes Archiv gab. Entsprechend groß war der Rückstau. „Am Anfang haben wir immer erst mal archivwürdige Ordner in unsere Regale gestellt“, erinnert sich Anja Freitag, die vom Fachangestellten für Medien- und Informationsdienste Tom Röhrig unterstützt wird. Aufgabe der Archivarin ist es, die Bestände zusammen zu tragen, zu sichten und zu bewerten. „Ein Archiv ist nicht für das Alte zuständig, sondern für Informationen“, zitiert Anja Freitag einen Kollegen. Im Fall des Kreisarchivs Rendsburg-Eckernförde sind das eine Menge Informationen, denn mit knapp 700 Mitarbeitern in der Kreisverwaltung sind die Aktenberge entsprechend hoch. Deshalb gibt es in der Kreisverwaltung Rendsburg-Eckernförde regelmäßig interne Verwaltungsveranstaltungen, um die Mitarbeiter für das Archiv und seine Aufgaben zu sensibilisieren.

Enge Zusammenarbeit mit dem Landesarchiv
Nicht alle Unterlagen liegen im Kreisarchiv. Als es noch nicht existierte, ist ein Teil der wichtigsten Unterlagen direkt an das Landesarchiv abgegeben worden. Bei der Zusammenlegung der Altkreise  wurde beschlossen, alle archivwürdigen Unterlagen, die vor 1950 entstanden waren, im Landesarchiv in Schleswig zu verwahren. Dadurch hat sich heute eine enge Zusammenarbeit mit dem Landesarchiv ergeben, denn Nutzer der Unterlagen werden mal in Rendsburg und mal in Schleswig fündig. „Nutzer müssen im Kreis- und im Landesarchiv forschen“, so Anja Freitag, „daneben existiert auch noch ein Bauaktenarchiv für Fragen der Bauaufsicht.“ Im Kreisarchiv liegt alles mit überörtlicher Bedeutung. Das umfasst Themen aus sämtlichen Fachabteilungen der Verwaltung, und hier wurde rechtzeitig dafür gesorgt, dass wertvolle Unterlagen in fachbezogenen Registraturen aufgehoben wurden, ehe sie seit 2015 nach und nach an zentrale Stelle in das Kreisarchiv überführt werden. „Bedeutsames soll für die folgenden Generationen aufgehoben werden“, betont die Archivarin. Ihre Aufgabe ist das Bewerten und Sammeln der archivwürdigen Unterlagen, zugleich müssen alle neuen Akten ins Kreisarchiv eingearbeitet werden. „Die Unterlagen des ehemaligen Kreises Eckernförde sind vom Landesarchiv schon erschlossen“, sagt sie. „Das Landesarchiv hat den Eckernförder Bestand in einem Findbuch veröffentlicht. Für den Kreis Rendsburg gibt es Karteikarten und Ansprechpartner im Landesarchiv.“

Ideen für den Notfall
In anderer Hinsicht denkt das noch junge Kreisarchiv voraus. So gibt es alle zwei Monate einen Archivstammtisch, und ganz neu hat sich eine Arbeitsgemeinschaft für die Einführung eines möglichen Notfallverbundes gegründet. Wo sind Fluchtwege? Gibt es ein Brandschutzkonzept? Wie werden Schädlinge bekämpft? Solche Fragen sollen diskutiert und Konzepte für den Notfall entwickelt werden. Die größten Feinde der Archivbestände sind neben unkundigen Menschen, die wichtige Unterlagen vernichten, Feuer, Wasser, Schimmel, Stockflecken oder Schädlingsbefall. Mäusefraß oder Silberfischchen, die sich wie Bücherwürmer von Papier ernähren, können zu buchstäblichen Lücken in den Beständen führen. Bei Löschwasserschäden hilft nur noch das sofortige Einfrieren der Dokumente in einem großen Gefrierhaus. So soll auch eine Liste erstellt werden, wo man geeignete Gefrierhäuser in der Region findet.

Adressat für Privatarchive
Kaum war das Kreisarchiv 2015 gegründet, wandten sich schon erste Privatsammler an Anja Freitag, um ihre Archive dem Kreisarchiv anzubieten. Dazu gehört das Archiv des Männergesangvereins „Liedertafel“ Westerrönfeld, der zunächst noch vertröstet werden musste, bis der Rückstand an Altbeständen aufgearbeitet ist. „Wir bekommen auch Anfragen von zwei größeren Geschichtsgesellschaften im Kreis, wenn Chroniken anstehen.“ Daneben gehören Anfragen von Erbenermittlern und zahlreichen Familienforschern zu den Aufgaben der Archivarin. Anja Freitag hat immer noch mit dem Aufbau zu tun. „Was wir an archivwürdigen Akten finden, bleibt jetzt bei uns“, sagt sie.

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