Verband Schleswig-Holsteiner
Kommunalarchivarinnen und -archivare e.V.

Kreisarchiv Nordfriesland - Alles unter einem Dach

Von Bettina Albrod
Eine Sommerlandschaft mit Strand und Palmen und mittendrin ein Eisberg? Da erkennt der aufgeklärte Medienbürger von heute, dass das Bild natürlich manipuliert ist. Aber Bildbearbeitung ist keineswegs eine Erfindung der Neuzeit, wie die Beispiele im Kreisarchiv Nordfriesland in Husum zeigen. Das Archiv umfasst auch eine große Zahl von Ansichtskarten aus der Region. Dabei wird deutlich, dass es auch damals schon Könner gab, die die abgebildeten Motive subtil für ihre Zwecke angepasst haben. „Hier haben wir Beispiele für frühe Bildbearbeitung“, zeigt Kreisarchivarin Almut Ueck auf drei Ansichts-Karten aus dem Beginn des 20. Jahrhunderts, die jeweils dasselbe Grundmotiv zeigen, bei denen aber Figuren und Einzelelemente gezielt heraus retuschiert wurden. Figurengruppen verschwinden, Flaggen werden geändert, das Fotomotiv aber ist dasselbe.
Almut Ueck leitet das Kreisarchiv Nordfriesland, das 1975 gegründet wurde und zu den größten im Land zählt. Es wurde zum Modell für weitere Kreisarchive, die teils erst später ins Leben gerufen wurden. Aufgabe war und ist es, das Archivgut aus dem Kreis Nordfriesland zu verwahren, zu erschließen und zu pflegen. Von Anfang an beschränkte sich das Kreisarchiv Nordfriesland nicht nur auf die Archivierung der Unterlagen aus der Kreisverwaltung, es bot auch den kreisangehörigen Gemeinden, Städten, Ämtern und Verbänden an, ihre Unterlagen durch das Kreisarchiv Nordfriesland betreuen zu lassen. Per Vertrag ist es auch für die Archivierung der Unterlagen vieler Stadt- und Amtsverwaltungen aus dem Kreis Nordfriesland zuständig. Einen Überblick über die Bestände gibt die Bestandsübersicht. Betreut werden die Unterlagen seit 1985 von Almut Ueck.

Ordnungssysteme sind entscheidend
„Archivalien ordnet man nach Herkunft“, erläutert sie. Da sich die Gebietsgrenzen durch fortwährende Ämterneuschnitte und Eingemeindungen immer wieder geändert haben, ist die Zahl der heutigen Amts- und Gemeindeverwaltungen wesentlich geringer als in früheren Jahrzehnten. „Das Kreisarchiv verwahrt die Unterlagen von 40 Amtsverwaltungen, obwohl heute im Kreisgebiet nur acht Amtsverwaltungen existieren“, gibt Almut Ueck ein Beispiel. Auf Gemeindeebene wurden die Kirchspielslandgemeinden aufgelöst, die es nur in Nordfriesland und Dithmarschen gab, andere Gemeinden schlossen sich zu größeren Einheiten zusammen.
Hier ist ein übersichtliches System wichtig, um alles wiederzufinden. Früher arbeitete man mit Findbüchern, die für jeden Bestand angelegt wurden und in denen die Angaben zu den archivierten Akten eingetragen waren. „Ich habe die Findbücher als pdf ins Internet gestellt, so dass Nutzer schon zu Hause recherchieren können“, erläutert Almut Ueck. „Auf unserer Internetseite gibt es zudem eine Rubrik, in der Heimat- und Familienforscher die jeweiligen Verwaltungszuschnitte einsehen können, damit sie wissen, in welchem Bestand sie suchen müssen. Weitere Hinweise geben die Vorworte der Findbücher.“
Auf den Verzeichnissen liegt ein Schwerpunkt des Kreisarchivs, das aufgrund der Fülle seiner Bestände eine große Zahl an Findbüchern vorweisen kann. Ersetzt werden die Findbücher jetzt weitgehend durch die Datenbank, in der beständeübergreifend recherchiert werden kann. Die Datenbank des Kreisarchivs Nordfriesland wird sukzessive ins Internet gestellt. Eine Besonderheit für Nordfriesland sind die Unterlagen der Deich- und Hauptsielverbände, die 1803 gegründet wurden, und die der Sielverbände. Da die Finanzierung und die Zuständigkeit für die Unterhaltung der Entwässerung und der Deiche von wesentlicher Bedeutung an der Westküste sind, setzen diese Bestände zum Teil schon im 16. Jahrhundert ein.
Die über die Jahrhunderte produzierten Akten wurden in unterschiedlichen Formen angelegt. Wird heute die digitale Akte mehr und mehr zum Standard, wurden davor die Papiere in Hängeregistraturen oder Aktenordnern abgelegt. In preußischer Zeit war die preußische Aktenheftung Standard: Die Papiere wurden zusammengeheftet und die Akte mit eine Papierlasche versehen, auf der der Aktentitel vermerkt war. Amtsbücher und Loseblattsammlungen waren ebenfalls gängige Aufbewahrungsformen.

Private Sammlungen als Ergänzung
Zum klassischen Bestand der Verwaltungsakten kommen private Sammlungen, Unterlagen von Vereinen, Betrieben und Zeitungen aus dem Zuständigkeitsbereich dazu, die in Husum auf Mikrofilm vorliegen. Sie sind über spezielle Lesegeräte einsehbar, solange es die noch gibt – wenn die Technik wegfällt, sind auch die Filme nur sehr mühsam erschließbar. Scannen und Digitalisieren sind deshalb die Aufgaben der Zukunft. Das gilt auch für historisch wertvolle Fotosammlungen wie die der Husumer Fotografen Walther Nehm und Hans Hoffmann, die Aufnahmen von Husum zwischen 1950 und 1980 hinterlassen haben. In der Kartenabteilung befinden sich sowohl handgezeichnete als auch gedruckte Karten, Deichprofile und Gleispläne.
Schließlich gehört eine Bibliothek zum Archivbestand, die rund 10.000 Bücher umfasst und ständig erweitert wird. Schwerpunkte bilden Geschichte und Kultur des Kreises Nordfriesland sowie Schleswig-Holsteins und die Verwaltungsgeschichte.

Das rote Buch
Ein besonderer Schatz ist „Das rote Buch“ aus dem Jahr 1466. „Dabei handelt es sich um Recht und Gesetz im roten Einband“, so die Archivarin. „Darin war lokales Recht kodifiziert.“ Schätze sind alle Archivalien, die das Gedächtnis des Kreises bilden und die Geschichte des Landkreises für die Ewigkeit bewahren sollen. Passend dazu ist das Magazin in den ehemaligen Räumen der Landesbank untergebracht. Hinter schweren Tresortüren lagert hier, was die Geschichte des Kreises ausmacht und der Öffentlichkeit für Recherche- und Forschungszwecke zugänglich gemacht wird.

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