Verband Schleswig-Holsteiner
Kommunalarchivarinnen und -archivare e.V.

Gemeinschaftsarchiv Dithmarschen - Ein Archiv in 3-D

Von Bettina Albrod
1955 fanden zwei Männer bei Bauarbeiten in einem Keramikgefäß den Meldorfer Goldschatz, bestehend aus 61 Goldmünzen aus dem Mittelalter, der heute im Schleswig-Holsteinischen Landesmuseum auf Schloss Gottorf liegt. Während die Münzen einerseits wertvolle Exponate für den Museumsbestand sind, geben sie sozusagen als Archivalien aus Edelmetall gleichzeitig durch Währung, Prägung und Jahreszahl Auskunft über die damalige Bedeutung des Handels und damit ein Stück Zeitgeschichte in Dithmarschen. 2015 waren sie in einer Sonderausstellung in Meldorf zu sehen. Archivar Karsten Schrum ist sowohl im Museum als auch in der Archivgemeinschaft des Kreises Dithmarschen, der Stadt Meldorf und des Amtes Meldorf-Land (seit 2008 Amt Mitteldithmarschen) zu Hause. Auf diese Weise arbeitet er interdisziplinär mit der Wechselwirkung von Archiv und Museum, die er beide für Einblicke in die Geschichte fruchtbar macht. Zwei Institutionen – das Gemeinschaftsarchiv wie auch das Museum - verfolgen eine gemeinsame Linie und können vom jeweils anderen profitieren.

Am Anfang war das Museum
Schrums Arbeitsplatz ist selber museal: Das Dithmarscher Landesmuseum wurde 1892 bis 1894 errichtet, steht heute unter Denkmalschutz und ist das erste Museumsgebäude in Schleswig-Holstein, das noch für museale Zwecke verwendet wird; das Museum selber war bereits 1872 gegründet worden. 1995 wurde es mit der ehemaligen Gelehrtenschule – auch sie unter Denkmalschutz gestellt - verbunden. Da das Museum 100 Jahre älter ist als das Archiv, bildeten beide von Beginn an eine Einheit, auch wenn die jeweilige Eigenständigkeit mittlerweile stärker zum Tragen kommen soll. „Als das Museum gegründet wurde, gab es das Archiv noch gar nicht“, erläutert Schrum. „Erst als 1965 die 700-Jahr-Feier von Meldorf als Stadt anstand, sollte ein pensionierter Lehrer erstmals die Akten sichten.“ Bis Mitte der 1980er-Jahre war die Archivarbeit ehrenamtlich aufgestellt, dann übernahm mit Karsten Schrum erstmals ein professioneller Mitarbeiter das Archiv in enger Zusammenarbeit mit dem Museum. Die Archivgemeinschaft bilden das Archiv des Kreises Dithmarschen, des Amtes Mitteldithmarschen und der Stadt Meldorf. Zu Schrums Arbeitsbereich gehören Bibliothek und Archiv des Dithmarscher Landesmuseums und des
Schleswig-Holsteinschen Landwirtschaftsmuseums dazu. „Ich sehe als Archivar den Bestand als eins“, sagt Schrum, „die Archiv-Akten der Stadt bilden sich teils auch im Museum ab, genauso sind Museums-Exponate auch Teil des Archivs. Die Zusammenarbeit von Archiv und Museum ist ein Alleinstellungsmerkmal des Dithmarscher Archivs.“ Beispiel für die Schnittmenge ist auch ein Bürgerbuch mit einem handschriftlichen Eintrag von 1692, das zu den Archivalien gehört, sich aber im Schaukasten eines Museums genauso gut machen würde. Räumlich sind die Bestände getrennt, aber Schrum und die Museumsleiterin verbinden sie für wechselnde Ausstellungen. „Das Archiv hat die Geschichte als Papier, das Museum hat die Geschichte in 3-D“, fasst Schrum zusammen.

Museumspädagogik als ein Schwerpunkt im Archiv
Bislang erscheint der Archivauftritt erst rudimentär auf der Museums-Internetseite, denn die Findbücher sind noch nicht digitalisiert, auch zusätzliche Sammlungen sind noch nicht digital erfasst. „Wir haben tolle Fotobestände“, betont Schrum, der neben der Kernaufgabe des Archivars – dem Sichern von Verwaltungsakten - auch Chronikarbeit betreut, Menschen bei ihren Nachforschungen berät und selber zu Themen aus dem Archivmaterial veröffentlicht. „Schwerpunkt des Museums ist die Alltagsgeschichte“, gibt Schrum ein Beispiel, „hier gibt es Unterlagen von bekannten Familien wie Familie Meißner, die einen Süßwarenladen in Heide hatte, oder zu dem Schriftsteller Gustav Frenssen.“ Regionale Ereignisse aus der Vergangenheit geben Anreize zur weiteren Untersuchung. So forschte Schrum zur Frage, warum Frenssens Dienstmädchen in Meldorf Selbstmord beging, was einen Heider Pfarrer zur Bekennenden Kirche brachte oder wie die Reformation sich 1917 in der Region darstellte. Ein weiterer Schwerpunkt der Archivarbeit liegt in der Bildungskooperation mit Schulen, bei der Unterrichtsprojekte aus dem Archiv betreut werden und in enger Zusammenarbeit mit dem Museum Geschichte lebendig vermittelt wird. „Wir haben im Museum ein kleines historisches Kino“, so Schrum. „Schüler arbeiten zu bestimmten Themen, besichtigen die Ausstellungsstücke im Museum und sehen dann dort einen Film, der zum Thema passt.“ Erster Weltkrieg, NS-Zeit oder Reformation werden auf diese Weise theoretisch über Archivunterlagen und anschaulich über Exponate aus dem Museum vermittelt. Ein großer Zeitungsbestand, viele alte Postkarten aus der Region oder Kriegskochbücher, die Schülerinnen über eine Kochshow erlebbar gemacht haben, sind Beispiele für die museumspädagogische Archivarbeit in Meldorf.

Archiv ist eine Muss-Aufgabe
„Das Museum ist eine Kann-Aufgabe, das Archiv eine Muss-Aufgabe“, stellt Schrum klar. Seit 1992 legt das Landesarchivgesetz verbindlich fest, dass die Akten der Verwaltung durch professionelle Mitarbeiter gesichtet und für die Nachwelt bewahrt werden müssen. Die Küraufgaben wie die Aufnahme privater Sammlungen oder die pädagogische Arbeit haben wie die Öffentlichkeitsarbeit jedoch ebenfalls einen hohen Stellenwert, rücken sie das Archiv und seine Bedeutung doch in den Blick der Öffentlichkeit. Hier wird die Geschichte des Kreises aufbewahrt und durch die Auswahl dessen, was bewahrenswert ist, Gegenwart zur Geschichte.

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